Melancholie und Lebenslust

Es muss nicht immer Jazz sein bei „Leise am Markt“: Seán Keane und seine Band bezaubern ihr Coburger Publikum mit feinstem Irish Folk.

Der erste Eindruck: Irritation. Herb, spröde, nasal – markant ist diese „Stimme Irlands“, aber im landläufigen Sinne nicht eigentlich „schön“. Doch sie entfaltet ihre ganz eigene Energie und Aura: Wenn man sich erst einmal eingehört hat – und das geht schnell – erliegt man dem Klang dieser Stimme, der Ausstrahlung dieses Sängers, dem Spirit seiner Musik, und begreift, weshalb Seán Keane seit 20 Jahren zu den führenden Vokalisten seiner irischen Heimat zählt.

Was sich längst auch in Deutschland herumgesprochen hat: Drangvolle Enge bei „Leise am Markt“ am Mittwochabend, obwohl in der Jazz-Location diesmal Irish Folk auf dem Programm steht. Stilecht fließt dazu das braunschwarze Guinness, doch der Soundtrack zu bierseliger Pub-Stimmung ist nicht die Sache dieses Trios, das in Coburg seine Deutschland-Tour eröffnet: Das Publikum ist ganz Ohr für die filigranen Interpretationen gälischer und irischer Balladen und traditioneller Tunes, die Keane mit modernen Stücken irischer und amerikanischer Songwriter wie Townes van Zandt und Richard Thompson mischt.

Für die tänzerischen Jigs und Reels greift er in die überquellende Holzschatulle voller Flöten und Mundharmonikas und entlockt den Flutes, Whistles, Pipes und Harps rasante Läufe von quirliger Lebensfreude – aber auch betörende Melodien von herbstlicher Melancholie.

Zwischen diesen Polen oszillieren auch die vertonten Geschichten, die der Sänger aus Galway im Westen Irlands gewissermaßen mit der Muttermilch aufgesogen hat. Sie erzählen von der Liebe zur Heimat, aber auch von der Not und vom Auszug in die Neue Welt, von Aufbruchstimmung, Wehmut und Sehnsucht. Seán Keane zelebriert diese Lieder sensibel und ausdrucksstark, aber vollkommen unprätentiös.

Getragen wird sein Gesang vom feinen und artistischen Saitenspiel seiner beiden Begleiter, die überdies die Balladen mit geschmeidigem Harmoniegesang runden: Pat Coyne und Fergus Feely weben mit Akustikgitarre und dem achtsaitigen Mandocello füllige und dennoch stets transparente Arpeggien-Klangteppiche, sie forcieren die Reels mit treibenden Beats und spornen sich gegenseitig mit Licks und Patterns an. Auch mit Solo-Stücken überzeugen die beiden versierten Musiker. Fergus Feely aus Belfast outet sich by the way als großer Verehrer deutscher Lebensart und Braukunst und gibt Eller den Vorzug vor Guinness.

Natürlich verlangt das begeisterte Publikum noch Zugaben, und es erhält eine eindrucksvolle Kostprobe jenes kunstvoll ornamentierenden traditionellen „Sean-nós-Gesangs“, den Seán Keane perfekt beherrscht – innig, pur und a cappella.

Text: Dieter Ungelenk

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