Jazz-Legenden verzaubern Coburg

Kirk Lightsey & Paul Zauner Quartet, Coburger Tageblatt, 16.03.16

Der Jazzpianist Kirk Lightsey träumt einen wunderschönen Traum. Er träumt einen Traum, von dem er weiß, dass er nur ein Traum bleiben wird: „Die Welt besser zu machen durch Musik.“ Lightsey träumt diesen Traum seit vielen, vielen Jahren – und an manchen Abenden ist die Versuchung groß, darauf zu hoffen, dass dieser Traum vielleicht doch nicht nur ein Traum bleiben möge. Abende, an denen die Musik beweist, dass sie – wenn sie schon nicht die Welt verändert – zumindest die Menschen verzaubern kann. 79 Jahre ist Kirk Lightsey alt. Doch wenn der in Paris lebende US-Amerikaner am Flügel sitzt, spielt die Frage des Alters keine Rolle mehr. Und dass der Flügel an diesem Abend bei „Leise am Markt“ kein großer Steinway-Flügel, sondern ein handlicher E-Flügel ist, wird zur Nebensache. Dann schaut Lightsey nur kurz erstaunt, probiert die verschiedenen Klangmöglichkeiten spielerisch aus und lacht einfach sein dunkles Lachen. Denn anscheinend hat Lightsey irgendwann einmal beschlossen, über Dinge, die man nicht ändern kann, zu lachen, statt sich zu wundern oder zu ärgern.

Die Macht der leisen Töne

Dass das Paul Zauner Quartet bei seinem Gastspiel in Coburg ganz kurzfristig ohne seinen Namensgeber auftreten musste – kein Grund zum Ärgern für Lightsey. Schließlich hatte Zauner einen triftigen Grund – die unmittelbar bevorstehende Niederkunft seiner Frau. Und wenn sich mitten im Konzert die Klaviernoten für das nächste Stück partout nicht finden lassen wollen? Dann lacht Lightsey einfach wieder und nimmt dankend die Noten von Kontrabassist Wolfram Derschmidt als Ersatz entgegen, während Derschmidt seinerseits der fabelhaften Jazzsängerin Melba Joyce über die Schulter schaut.

Spannungsvolles Zusammenspiel

„Jazz lebt von der Improvisation“, sagt Lightsey – und ganz offenbar meint das an diesem besonderen Abend nicht nur das lebendige und spannungsvolle Zusammenspiel der Musiker auf der Bühne. Vor knapp zwei Jahren war Lightsey erstmals in Coburg zu Gast – damals mit dem Trompeter Stéphane Belmondo vor großer Kulisse zum Auftakt der 2. Coburger Jazz Nacht. Sein erneutes Coburg-Gastspiel lässt sich durchaus als Indiz dafür werten, dass sich die Vestestadt langsam einen Namen macht auf der Jazz-Landkarte. Denn Lightsey und die Mitglieder des Paul Zauner Quartets machten auf der Rückreise von der renommierten Jazzwoche Burghausen Station.

Hommage an Dexter Gordon

„Round Midnight“ hat Lightsey seine Hommage an den Saxofonisten Dexter Gordon gemacht – Erinnerung an einen langjährigen musikalischen Weggefährten. Gemeinsam mit Kontrabassist Wolfram Derschmidt, Schlagzeuger Dusan Novakov und Sängerin Melba Joyce führt Kirk Lightsey dem begeisterten Coburger Publikum vor Ohren, wie faszinierend und immer wieder neu Jazz sein kann – vielleicht gerade dann, wenn die Musiker gleichsam hinter der Musik zurück treten.

Wolfgang Derschmidt spielt den Kontrabass wunderbar beiläufig und doch in jeder Sekunde reaktionsschnell und prägnant. Dusan Novakov am Schlagzeug lässt die Musik lebendig pulsieren, ohne sich je in den Vordergrund zu drängen. Und Melba Joyce demonstriert, was das Geheimnis des Jazz-Gesangs ausmacht – nicht die Lautstärke, sondern das untrügliche Gespür für das richtige Timing und für die Macht der leisen Töne. Eindringliche eigene Versionen gelingen ihr auch bei bestens bekannten Titeln wie Gershwins „The Man I Love“ oder „Sweet Georgia Brown“.

Kirk Lightsey schließlich ist ein Jazz-Pianist, der mit dem Instrument regelrecht spielen kann und und im Zusammenspiel mit seinen künstlerischen Partnern auf faszinierende Weise musikalische Energie freisetzt. Klar, dass das Publikum begeistert applaudiert und die Künstler erst nach mehreren Zugaben endgültig vom Podium lässt.

Text: Jochen Berger

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