Sousi & die Grammophoniker, Neue Presse, 05.02.15
Ein 111. Geburtstag, eine blecherne Diva als Ensemblemitglied und eine Zeitreise in die Goldenen Zwanziger. „Man lebt so kurz und ist so lange tot“, finden „Sousi und die Grammophoniker“. Der schwarze Zylinder ist das tonangebende Accessoire am Sonntagabend bei „Leise am Markt“ in Coburg. Mit einem Exemplar der steifen Kopfbedeckung verbindet Hausherr Dr. Andreas Engel etwas ganz Persönliches. Der Zylinder, den er an diesem Abend trägt, sei vom Coburger Hof-Hutmacher Escherich angefertigt worden. Er habe einst dem Firmengründer Wilhelm Leise gehört, der auf den Tag genau vor 111 Jahren die feinmechanischen Werkstätten mit dem Namen Leise gegründet hat: „Ohne Wilhelm Leise würde es auch ‚Leise am Markt’ nicht geben“, sagte Engel. Und damit wohl auch die Kulturreihe nicht, die viele treue Fans gefunden hat.
Während der Raum einmal mehr bis zum letzten Platz gefüllt ist, steht zur Geburtstagsfeier mit Schnaps-zahl das Trio „Sousi und die Grammophoniker“ auf der Bühne. Trio? „Wir sind ein Quartett“, scherzt Frontfrau Nicole Schömig. Offenbar besitzt das Sousafon menschliche Eigenschaften, sodass die große Basstuba mit ihrem hochaufragenden Schalltrichter kurzerhand zum vollwertigen vierten – und namengebenden Bandmitglied ernannt wurde. „Sousi spielt die Rolle der Diva, sie ist störrisch und zickig“, sagt Nicole Schömig über ihre blecherne Bandkollegin.
Sopranistin Schömig, Sousafonist Jochen Rothermel und Gitarrist Werner Küspert haben sich dem Liedgut der Zwanzigerjahre verschrieben, einer Zeit, die der Kunst, der Mode und dem Lebensgefühl vor der bevorstehenden Weltwirtschaftskrise ein kurzes Aufleuchten beschert hatte. Mit Peter Kreuders „Musik, Musik, Musik (Ich brauche keine Millionen)“ eröffnen die „Grammophoniker“ den Abend. Das Programm „Man lebt so kurz und ist so lange tot“ entspinnt sich um einen inhaltlichen roten Faden: Es spürt mit Liedern den abhanden gekommenen Mitgliedern eines fiktiven Tanzorchesters nach.
Nicole Schömig interpretiert die fast hundert Jahre alten Schlager mit Witz und einer ausgeprägten Koloratursopranstimme, die die Gassenhauer fast in eine neue Kunstform überführt – und die man mag, wenn man ausgeprägte Koloratursopranstimmen mag. Aus einem Köfferchen zaubert sie neben einer Quizfrage fürs Publikum vergnügliche Requisiten und allerlei Dinge zum Geräuschemachen. Beeindruckend ernsthaft hingegen ist die Interpretation von „Wir zahlen keine Miete mehr“ aus dem Film „Ein blonder Traum“ (1932).
Text/Bild: Cornelia Stegner