Ein Wirbelwind kommt selten allein

Mulo Francel & Friends, Neue Presse, 16.02.16

Ein Wirbelwind kommt selten allein

Quadro-Nuevo-Star Mulo Francel begeistert die Coburger Jazzfreunde. Und er tut es bei Weitem nicht alleine. Ein halbierter Flügel spielt dabei eine tragende Rolle.

Coburg – In der Coburger Herrengasse hat den Spaziergänger kürzlich eine lange Schlange von Menschen überrascht, die geduldig um Einlass in „Leise am Markt“ begehrten. Der Grund: Im Saal servierten vier Hochkaräter den Jazzhungrigen feine „Kost“. Zunächst betraten die zwei langen schlaksigen Rhythmiker, Sven Faller am Kontrabass und Robert Kainar am Schlagzeug, die Bühne. Ihnen folgten der Star des Abends, Mulo Francel an den Saxofonen, sowie der heimliche Publikumsliebling David Gazarov, der mit seinem halbierten Flügel und E-Klavier im Laufe des Abends noch für Aufsehen sorgen sollte.

Schon die swingende Eingangsnummer „Café Europa“ schlug mit ihren fließenden Tonkaskaden zwischen Sax und Klavier und anarchischen Soloimprovisationen voll ein. Die spitzen, leicht ironischen, aber immer charmant jungenhaften Moderationen von Mulo Francel schafften eine intime Atmosphäre zum Mitswingen und gemeinschaftlichen Genießen. Auch bei dem Saxofonsolo zur Jazzballade der „Südlicheren Tage“ nach einem Gedicht von Rainer Maria Rilke oder dem Bossa Nova zur Italienreise Goethes in melodischem charming Swing und Zitaten aus „The Girl from Ipanema“ kamen die Zuhörer voll auf ihre Kosten.

Dann kam der erste große Moment für den klassischen Konzert- und Jazzpianisten David Gazarov. Das Quartett trug dessen neuesten Song „Sunshine in a Honeycup“ – gewidmet seinen Eltern und dem US-amerikanischen Komponisten und Pianisten Bill Evans – als „Notenständerlied“ vor. Mit viel konzentrierter Energie ging es in Modulationen durch Dur und Moll bis zum Slow Waltz. Zwei Songs mit rassigen südamerikanischen Rhythmen beendeten den ersten Teil der faszinierenden Improvisationskunst: der Impression Mulo Francels von einer Südamerikareise zum letzten Inka „Atahualpa“ und seinen ärmlichen Nachkommen mit furiosen Duetten von Klavier und Sax, melodischen Variationen des Kontrabass und einer Schlagzeugkadenz vom Feinsten als Überleitung zu „La vita de Señor Lorenzo“, dem schnellsten Geplapper eines kolumbianischen Papageien mit Rumba und Samba von „Tico-Tico“-Klängen über harten Rhythmen und ostinatem Klavier.

Mit einem humoresken Sopransaxofonsolo aus Südamerika ging es in den zweiten Teil des Konzertes und der grandiosen Welturaufführung eines Klassik und Jazz auf natürliche, persönliche Weise umspannenden musikalischen Portraits Frédéric Chopíns von David Gazarov. „Retrospektive“ geht von Chopíns melancholischem Lied der „Etüde op. 10 Nr. 6 es-Moll“ als Charakterisierung eines depressiven Menschen in die Jazzbearbeitung eines Klanggemäldes von dessen Leben als brillanter Konzertfantasie über, zu dem das Saxofon am Ende das Licht einsetzt.

Mit einem einschlägigen Bossa Nova wurde nach den Extrasalven des Beifalls für Gazarov der wunderbare Kontrabassist Sven Faller als Komponist gefeiert. Und vor dem offiziellen Schlusssong glänzte der charmant sinnliche Saxofonist mit einer liebevollen Ballade „Für Pauline“, der alle einhellig zuspielten, sodass sie wie aus einem Guss und einem Herzen erklang. Schluss war mit dem „Mocca Swing“, bevor der Riesenerfolg und andauernde Beifall die Vollblutmusiker zu exzellentem Weiterspiel animierte. Jazzfans kamen so in den Genuss der abenteuerlichen „Reise nach Batoumi“. Mit herrlicher exotisch orientalischer Lautmalerei erzählten die vier Instrumente die Geschichte auf höchst anschauliche, impressionistisch vergnügliche Weise. Ein verträumtes Abendlied mit Orgelklängen aus dem Piano beendete das abenteuerliche Jazzkonzert.

Von der verjazzten Chopin-Etüde bis zum Bossa nova: „Mulo Francel and friends“ boten Jazzmusik vom Feinsten. Arrangiert hatte die musikalische Reise Antoinetta Bafas.

Text/Bild: Dr. Peter Müller

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